Das Gewächshaus – eine Kritik
Es beginnt mit einem Lachen– schwarzer Kleidung und einem kunstvollen Tanz – Jugendliche, die einen Hangover haben. Die Partys im Gewächshaus sind legendär.
Hier – abseits von den Eltern und Lehrern – können alle ihren Sound und ihre Vibes ausleben: Sex und Drogen – Joints und Selfies auf Insta.
Das Gewächshaus von Jonathan Tannahill, einem kanadischen Autor, zeigt das heutige Lebensgefühl der Jugend zwischen Verloren-Sein und der Sinnsuche. Die Spielerinnen und Spieler der S 4 unter der Leitung von Antje Kirchbauer stellen sich diesem anspruchsvollen Text im Atrium, der sehr nah am Zeitgeist ist. Und so weit weg ist das Geschehen nicht, denn der Erzähler betont: „Wir haben für euch ein Stück gemacht.“ Die Gruppe verlagert die Szenerie nach Rahlstedt, ins eigene Viertel – die B 75 bei Nacht. Hier beginnt eine mysteriöse Geschichte zweier Mädchen, die sich mit Schuldgefühlen plagen, weil irgendwann im Gewächshaus scheinbar alles schiefgelaufen ist…
Beeindruckend sind immer wieder die Bilder, das monotone Rasenmähen des Vaters, der scheinbar keinen Zugang zu seiner Tochter hat. Die Generationen leben aneinander vorbei. Die Jugendlichen nehmen sehr sensibel die Gier der Menschen wahr, die für die Shopping-Mall die Natur aufs Spiel setzen.
Das funktionale Bühnenbild mit der Steg-Konstruktion und den Graffitis sowie die Auftritte im oberen Bereich des Atriums erhöhen die Dynamik und zeigen auch im chorischen Spiel unterschiedliche Blickwinkel auf diese Jugend, die auch in eigenen Konflikten und Gruppenzwängen gefangen scheint. Ein Gong ruft immer wieder zu neuen Konstellationen auf – zeitliche Versatzstücke erfordern genaues Hinsehen.
Im Verlauf des Stückes zieht sich ein dunkler Schatten durch das Atrium; eine Spielerin bewegt sich wie eine Wiedergängerin durch die Zuschauer; sie beobachtet und kommentiert, irgendwann greift sie in das Geschehen ein.
Nach 75 Minuten endet das Stück mit dem Appell, die Welt durch Barmherzigkeit ein wenig besser zu machen. Tosender Applaus – ein interessanter Theaterabend – couragiert und berührend.
Text: Anke Buchholz
Fotos: Buchholz