Nicht Live fast, die young sondern „Lebe deine Träume!“ – Ein packendes wie ultramodernes Frühlings Erwachen! des S2-Kurses von Fr. Buchholz
Spätestens als der Sprayer im Hoodie auf die Bühne tritt und den Schriftzug ,LFDY‘ anbringt, ein Einkaufswagen auf die Bühne rollt oder die Protagonisten sich mit „Digga“ anreden, wird klar, dass dies keine klassische Aufführung des Stücks „Frühlingserwachen“ von Frank Wedekind, ursprünglich geschrieben 1891 und erstmalig zur Aufführung freigegeben 1906, ist sondern eine moderne, in unser heutiges Hamburg versetzte, basierend auf der Neubearbeitung von Nuran David Calis.
Eingestimmt durch über das Graffiti projizierte Kinderfotos, Getränkekästen mit Hochprozentigem als Bühnenbild und eingespielten Hiphop tauchen die Zuschauer ein in eine Welt von Heranwachsenden, zwischen Kindheit und Erwachsensein, in der die Frage nach dem Sinn des Lebens und der eigenen Zukunft genauso wichtig ist wie die Frage nach dem ersten Kuss, dem ersten Mal oder der eigenen sexuellen Identität.
Aus Angst, wie die Eltern zu werden, spießig und alt, mit guten Ratschlägen und echten Schlägen unbeholfen nach überkommenen Ideen erziehend ohne wirklich mit ihren Kindern zu sprechen und sie in diesem schwierigen Umbruch zu unterstützen, probieren sie lieber alles aus wie im Rausch, um irgendwie mit dem Erwachsenwerden, mit dem Verlust der Unschuld der Kindheit, klarzukommen. Sie möchten sich ,young and wild and free‘ fühlen und sind doch auch gefangen zwischen Gewalt und Druck auf der einen und Freiheit und Zügellosigkeit auf der anderen Seite.
Schließlich fühlt sich Moritz, der eigentlich seinem Großvater Johann nacheifern und den Traum vom reichen Leben in Amerika wahrmachen wollte, dem Druck nicht mehr gewachsen und begeht Selbstmord, während Wendla von Melchior schwanger wird. Die anderen fragen sich, ob sie Moritz zu sehr allein gelassen haben. Melchior möchte Moritz in den Tod folgen. Doch in einer sehr starken letzten Theaterszene erscheint Moritz Melchior als Engel und spricht zunächst mit ihm („Folge mir erst in das tiefe Blau, wenn du dein Leben gelebt und genossen hast“) und dann direkt mit dem Publikum: „Vertraue dem Leben, der Liebe!“ Zum Schluss tanzen die Lebenden gemeinsam und das Lied ,Higher‘ von Taio Cruz unterstreicht die Botschaft des Engels: „I can’t get enough, it’s taking me higher off the ground.“, genieße das Leben!
Die starke ,Message‘ des Stückes wird neben dem sehr überzeugenden Spiel und Zusammenspiel aller Schauspieler auch durch lustige Momente unterstrichen, wie dem Hereinradeln zweier Darstellerinnen mit dem Fahrrad oder die ,Winnetou‘-Musik, wenn Moritz von seinen Amerika-Träumen berichtet.
Es wäre schön gewesen, wenn noch mehr Zuschauer diese großartige Aufführung gesehen hätten!
Ein Bericht von Johanna Wiesner
Fotos: Anke Buchholz