Theaterkritik „Jugend ohne Gott“ von Ödön Horvath
Theaterkurs S2, Leitung: A. Kirchbauer
Aus den Boxen rollt der Donner von „Mad World“, als sich der Vorhang hebt, mit den Silben „No tomorrow“ tauchen die Scheinwerfer die Bühne in helles Licht. Die Handlung beginnt mit einer Mordanklage. N., eine der Jugendlichen aus der Hamburger Reisegruppe, wurde mit einem Stein erschlagen und stürzte in eine Schlucht. Es entspinnt sich eine Handlung um Schuld und Rechtfertigung, um Mutmaßung und Selbstentlastung. Die Handlung springt zwischen 1937 und 2024, zwischen Hakenkreuzfahne und insta-followern. Ein Offizier prognostiziert eine ernste Zukunft, eine junge Frau der Gegenwart leidet unter den Vorgaben, denen sie gefälligst zu entsprechen hat. Dieses vom Theaterkurs S2 unter der Leitung von Frau Kirchbauer inszenierte wortreiche Epos stellt die Frage nach der Vereinbarkeit von Gegensätzen in Umbruchphasen. Es schlagen jugendliche Gewalttäter auf alte Menschen ein, Andere wagen den Ausbruch aus der Zivilisation und leben in und mit der Natur. Ein erschütternder Streit zwischen Vater und Tochter folgt auf die Abmahnung eines Lehrers, der sich für Menschenrechte einsetzt. Die gleichgeschaltete Jugend redet sich nur mit Großbuchstaben an. Es offenbart sich ein Abgrund, dessen Tiefe durch die Vielzahl der gezeigten Beziehungen sichtbar und plastisch wird. Allen Anhängern von Exilliteratur, historischen Gegenständen und facettenreichen Beziehungsdarstellungen sei dieses Stück wärmstens ans Herz gelegt.
Ein Beitrag von Harald Krösser