Was das Nashorn sah, als es auf die andere Seite des Zauns schaute. Ein Bericht
„Stellt euch einen Schwarz-weiß-Foto-Zoo vor!“ – dieser einprägsame Satz begleitet das Theaterstück „Was das Nashorn sah, als es auf die andere Seite des Zauns schaute“ von der ersten bis zur letzten Minute. Zu sehen waren die Schülerinnen und Schüler des S2 Theaterkurses unter Leitung von Antje Kirchbauer im Forum des Gymnasiums Rahlstedt.
Papa Pavian, das Mufflon, ein Murmeltiermädchen und einige andere tierische Bewohner führen ein beschauliches Leben im Zoo. Der Zoo, in dem die Handlung spielt, liegt unmittelbar neben einem Lager, in dem die „Gestiefelten“ unmenschlich über die „Gestreiften“ herrschen. Und die Tiere reagieren ganz unterschiedlich auf das, was sie dort sehen. Die meisten Tiere kümmert es nicht, was dort auf der anderen Seite passiert. Doch eines Tages will der Neue, ein junger Bär, wissen, was da vor sich geht: Wer sind die Gestreiften, die von den Gestiefelten herumkommandiert werden? Wieso singt im Wald nicht ein einziger Vogel? Und was ist das für ein beißender Gestank, der aus dem rauchenden Schornstein kommt? Und wieso raucht der Schornstein ununterbrochen?
Die Tiere des Zoos wecken Fragen: Ist man wie der Bär, der es nicht lassen kann, über den Zaun zu schauen? Oder ist man eher wie der Pavian und schaut weg? Warum handelt der eine so und der andere so? In großen Teilen wird die Handlung nicht gezeigt, sondern von vier Erzählern erzählt. Die DarstellerInnen belehren nicht, sie sprechen in einem ruhigen Ton. Und einmal mehr wird die grauenvolle Vergangenheit dadurch noch transparenter.
Da erklingt die eingespielte Piano- und Gitarren-Musik einfühlsam und fast schon rettend – um die Situation erträglich zu machen.
Das Stück wirft viele Fragen auf, vor allem aber die, was wir machen, wenn wir auf die andere Seite des Zauns schauen und dort Unrecht und Gewalt bemerken. Hinsehen wie der Bär oder wegschauen wie der Pavian?
Es ist es sicher ein gewagtes Projekt, Schülerinnen und Schüler mit dem Holocaust zu konfrontieren, andererseits wird durch die Perspektive der Tiere eine Darstellungsweise gefunden, die einfühlsam und dennoch drastisch ist, ohne das Publikum zu überfordern.
Dem Theaterkurs gelingt eine eindrucksvolle szenische Gestaltung eines brisanten Stoffs sowie eine Analogie auf unsere Gesellschaft, die mithilfe der Medien über den europäischen Zaun auf grausame Geschehnisse weltweit schaut und dabei ähnliche Strategien entwickelt wie die Tiere im Zoo.
So ist das Stück ein dramatischer Appell gegen das Vergessen und ein kollektives Wegsehen – gerichtet an jeden von uns! Es ist ein Stück zum Nachdenken, Weiterdenken, Grübeln und Umdenken.
Ein Bericht von Anja Heiligtag
Nachfolgend ein paar Eindrücke der ersten Aufführung am Mittwoch.
Fotos: Anke Buchholz