Welchen Preis hat die Macht? Musikkurse erforschen Mozarts Oper »La clemenza di Tito«
Die jüngsten Aktivitäten der Musikkurse aus Jg. 9 und 10 standen ganz im Zeichen der Hamburger Neuproduktion von Mozarts 1791 uraufgeführter Oper »La clemenza di Tito«. Die Neu-Inszenierung stammt von der niederländischen Regisseurin Jetske Mijnssen. Nach einem Einführungs-Workshop auf der Probebühne der Staatsoper durch die Musiktheaterpädagogin Frau Binkle haben die Kurse in Begleitung von Frau Maschke und Frau Heiligtag einzelne Szenen nachgespielt. Wie die Fotos am Ende dieses Beitrags zeigen, kamen dabei sogar farbenfrohe Kostüme zum Einsatz.
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Der Musikkurs aus Jg. 10 berichtet blitzlichtartig über den Einführungsworkshop und den Opernbesuch am 3. Mai 2024:
„»La Clemenza di Tito« ist eine Oper, die von Wolfgang Amadeus Mozart komponiert wurde. Die Oper legt großen Wert auf die Emotionen der Charaktere, das merkt man insbesondere in den Arien. Die Handlung ist von Verrat und Vergebung geprägt. Tito wird von vielen verschiedenen Freunden verraten, die in Wahrheit feindselige Absichten hatten. Die Oper vermittelt eine tiefgründige Botschaft über Vergebung. Das merkt man an dem Kaiser Tito, der allen Verrätern vergab. Die Oper überzeugt mit den Emotionen jedes Charakters, sie sind alle facettenreich und besitzen eine ganz eigene Persönlichkeit. Dies zeigt die Einzigartigkeit dieser Oper.“
Sahed und Milan, 10b
„Diese Oper beschäftigt sich mit aktuellen Themen wie Betrug, Liebe und Macht. Dabei werden verschiedene Facetten von Beziehungen so dargestellt, dass auch das Publikum sich wie in der Mitte des Geschehens fühlt. Wir fanden die dargestellte Inszenierung imposant und nachhaltig beeindruckend. Vor allem das überraschende und offene Ende hat uns besonders gut gefallen.“
Anna und Sophie, 10a
„In dem Workshop zu »La clemenza di Tito« haben wir unter der Leitung von Frau Binkle viel Neues über die Oper erfahren. Wir erhielten eine grobe Zusammenfassung der Handlung und des Ablaufs der Geschichte, indem uns verschiedene Rollen zugewiesen wurden, mit denen wir den Inhalt nachspielten. Über den Workshop können wir nur Positives berichten: Es hat Spaß gemacht, und wir hatten die Möglichkeit, einen Blick hinter die Kulissen zu werfen.“
Julian, 10c, und Juan, Gastschüler 10a
„Durch den Workshop konnte ich die Oper besser mitverfolgen, weil man in die Geschichte und die Figuren eingeführt wurde. Ohne den Workshop hätte ich die Geschichte nicht so gut verstanden, weil mir nicht klar geworden wäre, wann welche Figur gesungen hätte. Es gab einiges Positive an der Oper. Die Schlussszene, in der Tito eine Pistole an seinen Kopf gehalten hat, war sehr überraschend. Manche Szenen wurden gut umgesetzt, z.B. die Szene, in der Sesto das Kapitol angezündet hat. Ein paar Szenen aber waren so in die Länge gezogen, dass ich gar nicht mitgekommen bin. Die Szene, in der Vitellia am Boden lag und ihre widersprüchlichen Gefühle zum Ausdruck gebracht hat, ist die Szene, die mir am meisten im Kopf geblieben ist.“
Alexander, 10b
„In der Staatsoper in Hamburg habe ich das Stück »La Clemenza di Tito« erlebt, und es war echt faszinierend! Das Stück spielte im alten Rom und war voller Drama und Emotionen. Die Musik von Mozart war einfach großartig und zog mich total in die Handlung hinein. Die Kostüme und das Bühnenbild waren echt beeindruckend und brachten die Geschichte richtig zum Leben. Es ging um Macht, Liebe und Intrigen! Ich fühlte mit den Charakteren mit und konnte ihre Entscheidungen meistens nachvollziehen. Es war wirklich ein schönes Erlebnis in der Staatsoper!“
Joachim, 10b
„Der Opernbesuch war eine eindrucksvolle und neue Erfahrung. Vor allem der Besuch des Workshops zur Oper »La Clemenza di Tito« hat uns auf spielerische und spaßige Weise geholfen, die Handlung der Oper zu verstehen. Mit musikalischen Hörbeispielen, welche uns vorgestellt wurden, konnten wir uns Ankerpunkte setzen, welche wir während der Oper wiedererkennen konnten. Der Opernbesuch an sich hat sehr viel Spaß gemacht und uns einen sehr guten ersten Eindruck in die Welt der Oper verliehen.“
Damian und Lovro, 10a
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Der Musikkurs aus Jg. 9 hat sich genauer mit der Inszenierung und der Frage, welchen Preis die Macht hat, auseinandergesetzt. Hier ein paar Auszüge aus den Texten:
„Was uns alle sehr gewundert hat, ist das Ende. In der letzten Szene hält sich Tito selber eine Waffe an den Kopf, rein aus Verzweiflung und Überforderung.“
Jule Siegmund, 9d
„Die Oper behandelt aktuelle Themen wie Macht und die damit verbundenen Konflikte. Es geht um politische Themen, persönliche Opfer und moralische Dilemmata. Am Ende müssen die Hauptfiguren die Konsequenzen ihrer Taten tragen. Die Inszenierung regt zum Nachdenken an, da es in der heutigen Zeit auch sehr viele Konflikte gibt, sowohl im politischen als auch im privaten. Außerdem regt sie Gedanken über die Natur der Macht und die damit verbundene Verantwortung an.“
Tim Baitinger, 9b
„Zwar spielte die Oper im Original im alten Rom, jedoch wurde sie in der Hamburger Staatsoper sehr modern inszeniert. (…) Durch die moderne Inszenierung, in der alle Anzüge trugen und es allgemein eher den Eindruck von einem Betrieb vermittelte, ist es viel realistischer und nachvollziehbarer für den Zuschauer. Die Macht als Kaiser –bzw. als Chef einer Firma – wird in der Oper sehr gut gezeigt, jedoch wurden die Schattenseiten dieser Macht sehr stark beleuchtet: der Neid auf seine Macht, der Verrat durch Vertraute und der Zwang, harte Entscheidungen zu treffen. All das führte dazu, dass der Kaiser in der Schlussszene dieser Inszenierung zusammenbrach.“
Inga Markus, 9e
„»La Clemenza di Tito« – ein Schauspiel um Macht und Liebe, welches auch Parallelen zu unserer heutigen Zeit aufweist. Besonders die schlichte, aber dennoch ausdrucksstarke Inszenierung hat es den Zuschauern ermöglicht, einen umfassenden Einblick in die Emotionen des Stücks zu erlangen. Wie früher, so auch heute, zeigt die Oper den Alltag der Liebenden und die kleinen Feste des Lebens, die uns so glücklich machen. Auch die Macht des Tito, des Kaisers von Rom, hat eine unglaubliche Aktualität, wie wir sie beispielsweise in unserer eigenen Politik wiederfinden. Entscheidungen zu treffen und sie durchzusetzen erweist sich oft als ein schwieriger und langwieriger Prozess. Und manchmal findet man auch keine zufriedenstellende Lösung.
Als Tito Kaiser wird, muss er neben dem großen Druck der Verantwortung auch noch ein persönliches Opfer bringen: Er verlässt seine Geliebte Berenice und muss nun eine römische Frau heiraten. Auch dem Verrat durch seinen besten Freund und der Einsamkeit muss sich Tito stellen. Neben der Handlung waren es auch die Kostüme, die das Ambiente unterstützten. So trugen alle Schauspieler – ebenso wie auch Tito – Anzüge. Diese Anspielung auf Gleichstellung aller Menschen ist in der heutigen Zeit jedoch oft nur eine Utopie. Nun, die Oper möchte zeigen, wie es geht, und auch, wie man gerecht und selbstlos herrscht – mit Hingabe und Liebe zum Volk. Die Dramatik wurde noch einmal in der Endszene hervorgehoben, in der sich der Kaiser Tito eine Waffe an den Kopf hält. Ob Tito an sich zweifelt, nicht mehr dem römischen Volk dienen zu können, oder aber doch nicht über den Verrat hinweggekommen ist, bleibt offen und lässt Platz für Kritik und Philosophie.“
Paul Khan, 9a
„In der Oper hatten wir Sitzplätze auf dem Balkon. Man konnte gut den Orchestergraben sehen, das heißt, wir haben gesehen, wie der Dirigent dirigiert hat und die Instrumente gespielt wurden. Dort ist aufgefallen, dass manchmal der Klarinettenspieler etwas höher saß, das lag daran, dass die Klarinette in diesem Stück ein besonderes Instrument war. (…)
Die Inszenierung war von den Kostümen her modern, der Hintergrund war eher altertümlich, vielleicht war es das Ziel der Regisseurin, das Stück zwar in die Moderne zu bringen, jedoch trotzdem noch Aspekte des alten Roms zu vermitteln. (…)
Insgesamt war das Stück sehr ausdrucksstark. Was mich überrascht hat war, warum Titus, der römische Kaiser, auf einmal eine Pistole in der Hand hielt und sie auf alle, einschließlich sich selbst, richtete. Es könnte als Zeichen seiner Macht oder seiner Wut gesehen werden. Dann fiel der Vorhang und das Stück war zu Ende. Man hat einige Szenen wiedererkannt aus dem Workshop und aus dem Musikunterricht. Es war eine Erfahrung wert und ich kann es allen nur herzlichst empfehlen.“
Hendrik Stark, 9b
„Die Oper ist zwar nicht mehr neu, aber die Inszenierung ist im neumodischen Stil gemacht, das erkennt man zum Beispiel an der Kleidung oder auch an den Requisiten. Die meiste Macht hat in der Oper Titus, da er während des Stücks zum Kaiser wird. Aber die Macht hat auch ihren Preis, weil er, nachdem er zum Kaiser ernannt worden ist, seine Geliebte verlassen musste, weil sie nicht römisch war. Außerdem haben ihn sein bester Freund und seine ehemalige Verlobte betrogen. Dass die Schluss-Szene von der Regisseurin anders ausgedacht ist als sie im originalen Stück ist, deute ich so, dass Titus sich die Waffe an den Kopf gehalten hat, weil er so verzweifelt war, dass ihn seine ihm am nächsten stehenden Menschen so betrogen haben.“
Kateryna Ekrot, 9b
„Dieses Opernstück ist heute noch aktuell, hauptsächlich wegen der Themen, die es behandelt, nämlich Freundschaft, unüberlegte Entscheidungen in Momenten der Verzweiflung, Fehler, aber auch die Kraft der Freundschaft und des freundlichen Abschieds. Diese Oper zeigt alle ähnlichen Situationen, die täglich passieren, und gibt auch ein Beispiel dafür, wie man in solchen Momenten damit umgehen sollte und wie man darüber nachdenken sollte, bevor man den nächsten Schritt macht. Dadurch, dass dies ein alltägliches Geschehen ist, kann diese Oper ein Gefühl der Empathie erzeugen und somit die Verbindung des Publikums mit der gesamten Handlung herstellen oder sogar Menschen helfen, die sich in einer ähnlichen Situation befinden. Es dient auch als Lehre, anderen Mitgefühl zu zeigen und Fehler zu verzeihen, aber auch Freunde um keinen Preis zu verraten, da der Verlust einer guten Freundschaft der größte ist.
Darüber hinaus ist dies eines von Mozarts großen Werken, und daher ist es für die Musikwelt wichtig, dass es bewahrt und aktualisiert wird, um nicht vergessen zu werden. Mit großer Macht geht immer große Verantwortung einher, und wir müssen wissen, wie man damit umgeht, was in Titos Situation klar gemacht wird: Mit der neuen Position hat er viele neue Aufgaben bekommen, und er musste auch einige Dinge aufgeben, zum Beispiel seine Freundin, nur weil sie keine Römerin war. Wie er selbst sagte, traut sich niemand mehr, ihm die Wahrheit zu sagen, und deshalb verfällt er in Verzweiflung und verliert das Vertrauen in alle Menschen um ihn herum. Zusätzlich muss er seinem Volk geben, was es will, was überhaupt keine leichte Aufgabe ist. Dies zeigt sich in der Szene, in der eine Gruppe von Leuten ihn mit Papieren jagt, die neue Aufgaben für ihn darstellen, und auch als Annios Freundin sagt, dass sie ihn nicht heiraten will, sagt Tito, dass, wenn jeder so aufrichtig wäre, das Regieren nicht so schwer wäre.
Was die letzte Szene betrifft, so kam sie sehr unerwartet. Vor allem denke ich, dass die ganze Szene die Gewalt und die Stärke von Titos Gefühlen und seine Überlastung darstellt, sowie seine Unsicherheit, wie man mit all der Macht und der neuen Situation umgehen soll, und seine Verwirrung in diesem Moment. Die Szene mit der Pistole interpretiert nur den Moment der Eskalation und die letzten Tropfen, die das Fass zum Überlaufen gebracht haben, aber nicht den Wunsch von Tito, sein Leben zu beenden.
Iva Andrejic, 9b
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Fotos: Anja Heiligtag und Eva Maschke